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Eliasz Rammer
Die Regierungsstraße vor 1914. In der Hausnummer 16 lebte Eliasz Rammer in den 1930er Jahren ©Sammlung Knappe
Im Oktober 1938 wurden überall im Deutschen Reich Menschen festgenommen und aus dem Land verwiesen, die von den Nationalsozialisten als polnische Jüdinnen und Juden klassifiziert wurden. Schätzungsweise 17.000 Menschen waren von dieser erzwungenen Ausweisung betroffen. Einer von ihnen war Eliasz Rammer aus Frankfurt (Oder).

Eliasz Rammer kam am 13. Juni 1893 als Kind jüdischer Eltern in Stanisławów, dem heutigen Ivano-Frankivsk (Ukraine), zur Welt. Die galizische Stadt gehörte damals zum Habsburger Reich und war ein wichtiges Handelszentrum. Etwa ein Drittel der Bevölkerung war jüdischen Glaubens.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Galizien und somit auch Stanisławów Teil der Zweiten Polnischen Republik. Infolge der Wirtschaftskrise verließen tausende Menschen, darunter auch viele Jüdinnen und Juden, ihre galizische Heimat und versuchten ihr Glück im Deutschen Reich. In den frühen 1920er Jahren machte sich Ida Rammer, die Schwester von Eliasz, als erstes Mitglied der Familie auf den Weg nach Deutschland. Die 1903 geborene Ida hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg in Frankfurt (Oder) niedergelassen, um als Schneiderin zu arbeiten. Im Sommer 1921 kehrte sie nach Polen zurück und berichtete vermutlich ihrem Bruder Eliasz von ihren Erfahrungen an der Oder.

Dieser lebte seit 1924 in Frankfurt (Oder). Als Schneidermeister eröffnete er sein eigenes Geschäft, dass er bis zu seiner Vertreibung erfolgreich führte. Auch privat fand Rammer sein Glück. Im Januar 1925 heiratete er die aus Berlin stammende Jüdin Ella Wolff. Die Trauzeugen des Paares gehörten der Frankfurter jüdischen Gemeinde an. Vieles deutet also darauf hin, dass Rammer in der Stadt gut integriert war.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 verlor Rammer seinen Meisterbrief und durfte sich nur noch Schneider nennen. Außerdem musste er seine Wohnung im Zentrum Frankfurts gegen eine günstigere Unterkunft eintauschen. Die Wohnung in der Berliner Straße 1 war seine letzte Adresse vor der Deportation 1938.

Wie Rammers Name auf die Ausweisungsliste gelangte, ist nicht bekannt. Er scheint jedoch als einziger Mensch aus Frankfurt (Oder) von der Polenaktion betroffen gewesen zu sein. Fest steht, dass Rammer am 28. Oktober 1938 von Frankfurt (Oder) aus mit dem Zug nach Zbąszyń deportiert wurde. Dort blieb er jedoch nicht lang und kehrte stattdessen in seine Geburtsstadt Stanisławów zurück. Dort lebte er vermutlich bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges unter der Adresse Zosnia Wola 133 bei seiner Schwester Ida Rammer. Zwischen September 1939 und Juli 1941 befand sich die Stadt unter sowjetischer Herrschaft. Nach dem Beginn des deutsch-sowjetischen Krieges besetzten die Deutschen Stanisławów und richteten im Herbst 1941 ein Ghetto für die jüdische Bevölkerung der Stadt ein. Auch Eliasz Rammer musste mit seiner Mutter und seinem Bruder in das Ghetto umziehen. Dort verlieren sich ihre Spuren. Fast die gesamte jüdische Bevölkerung Stanisławóws, d.h. über 20.000 Menschen, wurden von den Deutschen in der Shoah ermordet. Es ist davon auszugehen, dass Rammer zu den Opfern des Völkermords gehörte.

von Markus Nesselrodt