Wohnhaus der Familie Mende, Halbe Stadt 7

Das Schöpferdenkmal auf dem Schneckenberg im Lennépark. Zu Ehren der sechs Männer, die dessen Entstehung ermöglichten. Louis Mende hat für den Bau des Parkes 200 Talern gestiftet.

Stammbaum der Familie Mende

Buchcover von "Wir Mendes" © Arijeh-Verlag

Die Familie Mende –Der Aufstieg einer jüdischen Familie ins Frankfurter Bürgertum

Aufgrund der Zerstörungen 1945 und den späteren sozialistischen Umgestaltungs-maßahmen, erinnert nur noch wenig an das alte Stadtbild von Frankfurt (Oder). Das stattliche Gebäude mit der Hausnummer 7, im Denkmalbereich Halbe Stadt, damals wie heute am Rand des Lennéparks, ist eine der seltenen Ausnahmen.

Hier wohnte 30 Jahre lang die Familie Mende. Die liberale jüdisch-deutsche Familie gehörte im 19. Jahrhundert zu einflussreichsten und bekanntesten Familien der Stadt. Zeugnisse der Familie sind, neben dem ehemaligen Wohnhaus, einzelne Grabsteine von Familienmitgliedern auf dem alten jüdischen Friedhof und die Gravur „L. Mende“ auf dem Schöpferdenkmal im Lennépark (s. Abb.: Schöpferdenkmal).

 Frankfurter Anfänge

Die familiären Ursprünge der Mendes lassen sich auf die jüdische Zuwanderung aus Österreich zu Beginn des 18. Jahrhundert zurückführen. Nach dem Manuskript „Wir Mendes“ von Max Bamberger (1846-1919) beginnt mit Sarah Mendel, geb. Praeger (1751-1822) der Stammbaum der in Frankfurt geborenen Familienmitglieder. Die beiden Chronist:innen der Familie, Bamberger und Käthe Mende, waren zwei ihrer Urenkel.                        

Sarah Mendel wurde mit 15 Jahren an [ihren Stiefonkel] Isaac Mendel verheiratet, kümmerte sich um den Haushalt und acht Kinder. Nach dem Tod ihres Ehemannes 1785, kämpfte sie, als 34jährige Witwe ohne Schulbildung, lange, um das Haus und die Geschäfte ihres Mannes nicht zu verlieren. Erschwert wurde der Neustart durch hohe Sonderabgaben, die die Jüd:innen unter Friedrich dem Großen, (Bsp.: Judenporzellan,1769) verrichten mussten. Sie war bis ins hohe Alter im Kleinhandel tätig, um ihre Familie und sich ernähren zu können.

 Der Aufstieg ins Frankfurter Bürgertum im 19.Jahrhundert

Die Folgen des Feldzugs von Napoleon gegen Preußen forderte auch Opfer in der Familie Mende. Doch der zweitjüngste Sohn, Levin Mendel (1782-1857), ab 1813 Louis Mende, entwickelte sich zum Stolz seiner Familie. Profitierend von der fortschreitenden jüdischen Emanzipation und mit der Unterstützung seiner Mutter, genoss er wider damaligen orthodoxen Glauben auch eine deutschsprachige Schulausbildung. Er machte eine Kaufmannslehre und begann sein Geschäft aufzubauen. Begünstigt durch das Emanzipationsedikt von 1812 und dem wirtschaftlichen Aufschwung, stieg er ins Geldwechselgeschäft ein und arbeitete sich bis 1820 zum angesehenen „Banquier L. Mende aus Frankfurt a/O“ hoch (Bamberger 2022: 51).

Entgegen Stigmatisierungen der jüdischen Bevölkerung, die im Geldgeschäft tätig waren, genoss Louis Mende hohes Ansehen in der Stadt. Seine Wahl zum Stellvertretenden Stadtverordneten, viele Anekdoten aus allen Gesellschaftskreisen (vgl. 2022: Wir Mendes) und ein Nachruf in der Zeitung zu seinem Tod 1857 verdeutlichen das.

Aus seiner zweiten Heirat, 1817, mit der Kaufmannstochter Heile „Line“ Markus gingen sieben Kindern hervor. Die Familie wohnte und arbeitete, bis zum Umzug in die Halbe Stadt 7, in einem zweigeschossigen Haus in der Jüdenstraße/ Ecke Scharrnstraße, nahe dem Marktplatz.

 Die jüngeren Generationen der Familie Mende

Die Söhne von Louis Mende waren alle im Bankwesen tätig. Das Bankgeschäft „L. Mende“ wurde vom ältesten Sohn Moritz Mende, dessen Sohn (und später von Paul Mende) weitergeführt und bestand bis 1912. Die Töchter von Louis und Line heirateten alle in gut situierte Häuser ein. Bis auf wenige Ausnahmen taten es die Geschwister den Generationen vor ihnen gleich und hatten kinderreichen Nachwuchs. Aufgrund von familiären oder beruflichen Gründen zog es viele Familienmitglieder weg aus Frankfurt, beispielsweise nach Luckenwalde, Landsberg, Berlin, Brasilien und in die USA.

Auch die jüngste Tochter von Paul, Käthe Mende (1878-1963) ging für das Studium nach Berlin. Sie war promovierte Nationalökonomin und Soziologin und setzte sich Zeit ihres Lebens stark für Reformen in der Jugendfürsorge ein. Bis zum Beginn der 1930er Jahre war sie Leiterin des Deutschen Archivs für Jugendwohlfahrt und engagierte sich für den Ausbau sozialer Arbeit und Jugendfürsorge, unter anderem mit Publikationen in einer, von ihr geleiteten Zeitschrift.

 Bewahrung der Familiengeschichte

Nachdem sie die das Konzentrationslager Theresienstadt überlebte, kehrte sie nach Berlin zurück und ließ sich im Westteil der Stadt nieder.

Sie beschloss im Jahr 1950, ähnlich wie ihr Cousin Max Bamberger Jahrzehnte zuvor, die Familiengeschichte unter dem Titel „Geschichte der Familie Mende aus Frankfurt an der Oder“ zusammenzutragen. Diese Aufarbeitung war dem Bedürfnis geschuldet, nach der Zeit des NS-Regimes und des zweiten Weltkrieges, Schicksale von Familienangehörigen zu erfahren, die in alle Welt zerstreut waren und die Familiengeschichte mit ihren Ursprüngen für die folgenden Generationen festzuhalten.

Die Manuskripte von Bamberger und Mende zeichnen nicht nur ein exemplarisches Bild einer Familie des liberalen deutsch-jüdischen Bürgertums. Durch viele Anekdoten wird auch eine Stadtgeschichte von Frankfurt/Oder aus jüdischer Perspektive dargestellt.

 „Wiederentdeckung“ der Familie Mende

Das heutige Wissen über die Geschichte der Familie Mende ist der Arbeit von Katja Martin (Judaistin) und einem Team von Studierenden der Universität Potsdam zu verdanken. Nach Martins zufälligen Fund der Memoiren von Max Bamberger und Käthe Mende im Archiv des Leo Baeck Institute New York, trugen sie die Manuskripte über die Familiengeschichte zusammen.

In Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Institut für angewandte Geschichte – Gesellschaft und Wissenschaft im Dialog e.V und dem Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg wurde 2022 „Wir Mendes – Geschichte & Geschichten einer jüdischen Familie aus Frankfurt an der Oder “ im Arijeh-Verlag Potsdam veröffentlicht.

von Alina Sauerwald

Weiterführende Literatur:

Bamberger, Max; Mende, Käthe: Wir Mendes. Geschichte & Geschichten einer jüdischen Familie aus Frankfurt an der Oder,  hg. von Michael Heinzmann & Katja Martin,  Arijeh-Verlag Potsdam 2022.