Alte Universität/ Realgymnasium, Postkarte ©Sammlung Knappe
"Schmuckmauer" der alten Universität
Alte Universität
Die alte Viadrina entstand 1506 im Zuge einer zweiten Universitätsgründungswelle in Europa. Dies machte sie zur ersten brandenburgischen Landesuniversität. Veranlasst wurde die Gründung vom damaligen Brandenburger Kurfürsten Joachim I. Er war es auch, der den Juden wieder Privilegien wie freien Handel und freies Wohnrecht zugestanden hatte. Den Zugang zur neuen Universität ermöglichte er ihnen jedoch nicht. Dies sollte erst knapp 200 Jahre später geschehen.
Die ersten jüdischen Studenten
Die Universität verfügte über die vier Fakultäten Jura, Theologie, Medizin und Philosophie. Durch engagierte Professoren erweiterte sich der Fächerkanon der Philosophischen Fakultät später auf zehn Disziplinen, darunter auch Hebraistik. Jüdischen Studenten war der Zugang zum Studium zunächst noch verwehrt worden. Doch es kam 1613 in Brandenburg zu einem Umschwung, als der damalige Kurfürst Johann Sigismund der reformierten Kirche beitrat. In der Folge wurden reformierte Professoren eingestellt. Durch ihre neuen Lehrideen und -methoden entwickelte sich Frankfurt (Oder) zu einem gelehrten Zentrum des deutschen Calvinismus. Man ging auf Reisen und begann, sich für fremde Kulturen zu interessieren.
Ein weiterer günstiger Umstand war die (erneute) Ansiedlung einer jüdischen Bevölkerung in der Mark Brandenburg zur Mitte des 17. Jahrhunderts. 1671 nahm Kurfürst Friedrich Wilhelm 50 jüdische Familien aus Wien auf, wovon sich zehn in Frankfurt (Oder) niederließen. Wenig später, im Juni 1678 durften sich Tobias und Gabriel ben Mose (auch Moschowitz genannt) als erste jüdische Studenten in Deutschland überhaupt an der Alma Mater Viadrina immatrikulieren. Für diesen Schritt benötigten sie allerdings ein kurfürstliches Privileg. Ihre Matrikelnummern wurden gekennzeichnet. Einige Professoren protestierten gegen ihre Aufnahme an die Universität. Antisemitische Diskriminierung erlebten sie über das gesamte Studium an der Viadrina. Sie wurden für einige Professoren zu Objekten der Bekehrung, die es vom Christentum zu überzeugen galt. Außerdem blieb den beiden trotz eines erfolgreichen Studiums eine Promotion in Frankfurt (Oder) untersagt, weshalb es sie nach Padua in Italien verschlug. Von dort aus machte Tobias ben Mose als Leibarzt des Sultans in Konstantinopel Karriere.
Erst 1721 kam es zur ersten Promotion eines jüdischen Studenten, gefördert durch den Medizin-Professor Andreas Goelicke. Moses Salomon Gumperts erhielt den Doktorgrad in Medizin, musste aber aufgrund seines jüdischen Glaubens auf die üblichen Feierlichkeiten in der Marienkirche verzichten. Man versagte ihm auch die Dozentenstelle. In der gesamten Universitätsgeschichte von 1506 bis 1811 gab es keinen einzigen bekennenden jüdischen Professor. Aron Margalitha, Professor für altes Judentum, wurde vor Antritt seiner Professur getauft. Auch Christian Leberecht Felß musste sich vor seiner Anstellung taufen lassen. Dabei arbeitete er zuvor sogar als Rabbiner.
Das Ende der alten Universität
Von 1678 bis 1811 studierten mindestens 140 Juden in Frankfurt (Oder). Dabei verweilte allerdings nie eine größere Zahl von ihnen gleichzeitig an der Universität. Ein großer Teil stammte aus Polen. Im Zeitraum von 1721 bis 1794 wurden insgesamt 29 jüdische Studenten im Fach Medizin promoviert.
Im August 1811 wurde die Alma Mater Viadrina, aufgrund der Konkurrenz zur neu gegründeten Berliner Universität, der heutigen Humboldt-Universität, nach Breslau verlegt. Die Universitätsgebäude dienten bis 1962 unter anderem als Schulgebäude und Amtsgericht. Zu DDR-Zeiten scheiterten mehrere Nutzungsversuche der Gebäude. Das Gebäude verfiel und wurde 1962 schließlich gesprengt. Heute erinnert eine Gedenkmauer mit Reliefs an die ehemalige Universität in Frankfurt (Oder).
von der Redaktion
Weiterführende Literatur:
Meier, Brigitte (2008): Frankfurt/Oder. In: Diekmann, Irene A. (Hrsg.) (2008): Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart. 1. Aufl., Berlin: vbb verlag für berlin-brandenburg, 113-153.
Targiel, Ralf-Rüdiger: Mit kurfürstlicher Genehmigung immatrikuliert in Frankfurt: Jüdische Studenten an der Viadrina, in: Diekmann, Irene A. (Hrsg.): Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Berlin 2008, S. 409–416.