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Jüdischer Friedhof

Der Eingang zum Alten Jüdischer Friedhof heute

Stiftungstafel der Nissenbaum-Stiftung am Alten Jüdischen Friedhofs

Die Grabsteine von den drei Rabbinern Sacharja Mendel von Podheiz, Joseph Meir Theomim und Jehuda Leib Margaliot

Im "Lapidarium" finden Grabsteine einen Platz, wenn sie keiner Grabstelle mehr zugeordnet werden konnten

Der jüdische Friedhof in Slubice

Zu einer jüdischen Gemeinde gehört nicht nur eine Synagoge, sondern auch ein jüdischer Friedhof. Hier können die Gläubigen entsprechend den Gesetzen des Judentums ihre letzte Ruhe finden. Der einstige jüdische Friedhof der Stadt Frankfurt (Oder) befindet sich seit 1945 in Słubice an der Gabelung der Straßen nach Rzepin und Krosno Odrzańskie. Er wurde 1399 erstmals urkundlich erwähnt.

Bereits vor der Gründung der Stadt Frankfurt (Oder) lebten Jüdinnen und Juden in dieser Gegend, die ihre Toten auf dem Grundstück der Kaufmannsfamilie Hokemann östlich der Oder bestatteten. 1399 ging das Gelände in den Besitz der Stadt über, die hier das jüdische Begräbnisrecht erneuerte. Demnach stellt der jüdische Friedhof im heutigen Słubice einen der ältesten jüdischen Begräbnisorte Mitteleuropas dar.

Ein wesentlicher Bestandteil des heutigen Friedhofes sind drei Steine. Hierbei handelt es sich um symbolische und nicht originale Grabsteine zum Gedenken der an dieser Stelle beerdigten Rabbiner Sacharja Mendel von Podheiz, Joseph Meir Theomim und Jehuda Leib Margaliot. Joseph Meir Theomim ist der wohl bekannteste von ihnen. Er lebte von 1727 bis 1792. Seine Werke, darunter Pri Megadim, kommentieren die jüdischen Speisegesetze und sind bis heute wesentlicher Bestandteil der Rabbinerausbildung. An seinem Todestag 10. Ijjar – das ist nach dem christlichen Kalender im April/Mai – pilgern regelmäßig Gläubige zum Friedhof, um seiner zu gedenken.

Segmentierung des Friedhofes bis 1945

In der jüdischen Friedhofskultur gilt ein Friedhof als unantastbar und darf weder verändert noch aufgehoben werden, deswegen wurde der Friedhof zweimal erweitert.

Der erste und älteste Abschnitt umfasst das Gelände links von den drei Gedenksteinen und wurde bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Er war von einer niedrigen, ca. 60 cm hohen Feldsteinmauer umgeben und relativ klein, vor allem in Hinblick auf seine lange Nutzungszeit. Dies hängt mit den historischen Judenvertreibungen aus der Stadt zusammen, durch die der Friedhof immer wieder für längere Zeit ungenutzt blieb. Die Friedhofsmauer des zweiten Abschnitts, welcher mittig gelegen ist, bestand aus gelben Klinkersteinen und war mit 2 m bis 2,50 m deutlich höher. Dies ist ein bemerkenswerter Unterschied im Vergleich zur alten Mauer und deutet auf eine Liberalisierung der Synagogengemeinde hin. So muss der Friedhof nach dem jüdischen Reinheitsgebot eigentlich von außen einsehbar sein. Der zweite Abschnitt war bis 1940 in Betrieb. Danach nutzte man den neuen dritten Abschnitt. Während des Krieges erfolgten Beisetzungen zum Teil ohne Grabsteine. 1941 wurden auf dem Friedhof über 100 jüdische Opfer aus dem Arbeitslager Finkenheerd in einem Massengrab beigesetzt. Die letzte jüdische Beerdigung fand 1944 statt.

Nach Kriegsende, zwischen Mai bis September 1945, wurden dort auch deutsche Soldaten sowie Volkssturmleute begraben. Keiner von ihnen erhielt einen Grab- oder Gedenkstein.

In der Grabgestaltung war eine Annäherung an die christliche Friedhofskultur zu erkennen. Der „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ stiftete in den 1930er Jahren für die im Ersten Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten ein Ehrenmal auf dem jüdischen Friedhof. Zu finden ist dieses im neuen dritten Abschnitt.

Der nichtjüdische Friedhofsgärtner Otto Billerbeck hatte seit 1919 die Leitung des jüdischen Friedhofs inne, ebenso wie zuvor sein Vater und Großvater. Nachdem er 1941 auf staatlichen Druck entlassen wurde, kümmerte er sich trotz des Verbots weiterhin um den Begräbnisort. Er lebte in einem direkt am Friedhof gelegenen Haus. Heute kann man rechts von den drei symbolischen Gedenksteinen noch die Fundamente des Hauses, die man nun gemeinsam mit dem Friedhof eingezäunt hat, erkennen. Die Bäume markieren die einstige Zufahrt zum Haus.

Schicksal nach 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das Gebiet östlich der Oder, und damit auch der jüdische Friedhof, an den polnischen Staat über. Aus der Frankfurter Dammvorstadt wurde Słubice. Die unzerstörte Friedhofsanlage verfiel bis Mitte der 1970er Jahre und wurde dann, wie viele andere Begräbnisstätten aus deutscher Zeit, vollständig abgetragen. 1975 begann man mit dem Bau eines Gasthofes auf dem ehemaligen Friedhofsgelände. Er wurde im polnischen Volksmund sarkastisch „Restauracja pod trupkiem“, übersetzt „Gasthaus zur Leiche“ genannt. Nach dem Ende des Sozialismus eröffnete hier ein Nachtclub. Jüdische Geistliche waren schockiert. Die Fundamentreste des Gebäudes sind noch heute gut erkennbar.

Seit 2007 befindet sich die Anlage in der Verwaltung der Warschauer jüdischen Gemeinde und deren Stiftung zum Schutz des jüdischen Erbes (Fundacja Ochrony Dziedzictwa Żydowskiego). Im Februar 2014 wurde er zudem in die Denkmalliste der Woiwodschaft Lubuskie aufgenommen und wird nun durch das Landesdenkmalamt in Gorzów Wielkopolski betreut.

Nach der unwiederbringlichen Zerstörung der kulturhistorischen Kostbarkeit des alten Friedhofes und fortgesetzten Schändungen hat man sich entschlossen, ihn für die breite Öffentlichkeit zu sperren, Besichtigungen sind dennoch unter Begleitung möglich. Seit Juni 2021 ermöglicht Roland Semik vom Historischen Verein zu Frankfurt (Oder) e.V. Rundgänge über diesen Friedhof. Ihm gelang es auch im Oktober 2021, ein verschollen geglaubtes Waschbecken ausfindig zu machen und seinen Rücktransport zum Friedhof zu veranlassen. Zuvor wurden in den Jahren 2015, 2016 und 2018 verschiedene Grabsteinfragmente im Uferbereich der Oder gefunden, die man anschließend auf den Friedhof brachte.

von Christine Körner und  der Redaktion